Mehr aus deiner Dating-App Erfahrung herausholen
Ein Auberginen-Emoji ist mehr als nur ein Auberginen-Emoji: Hinter den Anzeigen, die zu einem nächtlichen Treffen einladen, verbirgt sich oft etwas anderes. Hier ein paar wichtige Gedanken über Intimität und Gefühle aus der Kolumne von Lena Borovaya.
Sex ohne Schnickschnack
Wenn man die Profile auf Dating-Apps und den männlichen Feed auf Pure betrachtet, stellt man fest, dass die meisten entweder ihre Größe in Zentimetern erwähnen oder einfache Fantasien wie „lass uns eine Flasche Wein öffnen und schauen, wie es weitergeht“. Einige geben in der Anzeige ihre gewünschte Konfektionsgröße oder ein Gewicht an, wie etwa „muss unter 65 kg wiegen“, was komisch und anmaßend klingt, als ob sie sich einen Welpen bei einem Züchter aussuchen würden. Am Ende des Tages kannst du mit deinem Partner viel mehr erleben, als das, was man in Pornos sieht oder von Sexspielzeugen kennt: Es ist eine pure Form der Interaktion zwischen zwei Menschen.
Daten, Essen gehen und Kuscheln finden vielleicht nicht statt, aber Körperkontakt schon. Oder es kann etwas ganz anderes passieren. Ich nutze Pure nun schon seit zwei Jahren, und dafür gibt es gute Gründe. Erstens habe ich einfach nicht genug Freizeit, um mich in Bars zu verabreden oder darauf zu warten, beim Schlendern durch die Straßen angesprochen zu werden.
Zweitens habe ich das Gefühl, dass es die Kommunikation vereinfacht und man direkt zum Punkt kommt: überflüssige Spielereien werden aus den Gesprächen gestrichen. Du startest einen Chat davon ausgehend, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass du dich mit deinem neuen Match nackt im Bett wiederfinden wirst. Vielleicht sogar am selben Abend, wer weiß das schon. Mir ist bewusst, dass manche von euch die Augen verdrehen, wenn sie das lesen, aber das sollten sie nicht. Wir leben in einer modernen Gesellschaft und vieles hat sich geändert: Frauen dürfen heutzutage nicht nur wählen, sondern sie können auch frei entscheiden, was sie mit ihren Körpern tun und wie sie ihre Zeit verbringen. Frauen können das alles auch ohne Schuldgefühle tun. Das Blatt hat sich gewendet.
Zurück zu den heißen und vielversprechenden Anzeigen. Du scrollst durch den Feed und hast das Gefühl, dass du, in dem ganzen auf dich einströmenden Testosteron, zu ertrinken drohst. Du fängst an zu chatten, und aus jeder Ecke schießen unerwünschte Bilder von Körperteilen hervor. Du würdest (vermutlich) am liebsten die App schließen und weglaufen. Aber manchmal stößt man auch auf Typen, die in der Anzeige bereitwillig und offen ihre Wünsche kommunizieren. Dann kommt ihr ins Gespräch und es ist plötzlich so einfach. Eigentlich sollte es mit jedem so einfach sein. Es gibt nur ein Problem: Wir wissen nicht wirklich, wie wir über unsere Leidenschaften oder gar das große S-Wort allgemein sprechen sollen. Ganz zu schweigen davon, über unsere Probleme und Bedürfnisse zu sprechen: es fällt uns möglicherweise schwer, diese zuzugeben, sogar uns selbst gegenüber. In diesem Fall scheint es, als ob eine einfache Frage deine Dating-Erfahrung verbessern könnte.
Warum nutzen wir Dating-Apps?
Die Frage ist immer “warum” und nicht „wonach suchst du“. Ich habe diese Frage vor genau zwei Absätzen beantwortet. Das “Warum” lässt sich oft sehr einfach beantworten: Man nehme eine komplizierte Beziehung, gieße eine schmerzhafte Trennung hinzu, schüttle ohne zu rühren und gebe eine Olive in Form eines kleinen Kindes dazu. Es ist vergleichbar mit Jeffrey Eugenides’ Die Selbstmord-Schwestern: „Du warst nie eine allein erziehende Mutter, nur ich selbst sehe, dass ich es war. Ich wollte diesen Schmerz einfach nicht mit mir herumtragen. Ich wollte einen Neuanfang, ich wollte den besten Wein trinken, herumalbern und sehen, wohin mich das führt. Ich wollte alle Vorteile des Anbandelns haben - und zwar jetzt!“
Du magst es zwar vielleicht nicht so sehen, aber hinter den unerwünschten Bildern, den Auberginen-Emojis und dem extremen Verlangen, Fantasien auszuleben, verbergen sich echte menschliche Geschichten. Schmerzvolle Scheidungen und Trennungen von Kindern, stressige Arbeit, Unfähigkeit, Gefühle zu kontrollieren, Verlust, Traurigkeit - was auch immer. Ein menschliches Wesen braucht Menschen, Verabredungen, Romantik - irgendetwas.
So kommt es, dass wenn wir aufhören, uns selbst oder anderen etwas vorzumachen, und stattdessen ehrlich sagen, dass wir uns nach Hautkontakt sehnen, wahrscheinlich schneller die richtige Person finden werden.
Sich näher kommen – eine Erklärung
Geschlechtsverkehr kann eine der ehrlichsten Arten der Kommunikation sein. Ein bisschen primitiv, klar, ohne einen größeren Einfluss des rationalen Teils des Gehirns. Aber sieh mal, selbst wenn wir alle sozialen Aspekte außer Acht lassen, können wir die Komplexität der emotionalen Struktur eines Menschen immer noch nicht ändern. Man muss nicht immer alles aussprechen, damit jemand anders es fühlt. So ist es - das komplizierte Erwachsenenleben.
Es gibt noch etwas anderes Wichtiges, das mit dieser offenen Ehrlichkeit einhergeht. Sobald du die Regeln von Pure akzeptiert hast, fang direkt an zu spielen. Da du schon zugestimmt hast, dass es in Ordnung ist, dich irgendwann auf körperliche Intimität einzulassen - ist sie nicht mehr so tabu, nicht mehr nur eine Begierde, nicht mehr unzulässig und lange ersehnt. Jetzt rückt die emotionale Nähe in den Vordergrund. Genauso habe ich auf Pure einige (inzwischen enge) Freundschaften geschlossen, die durch eine gegenseitige Aufgeschlossenheit möglich wurden. Plötzlich ist Dating nicht mehr so kompliziert, wie man es sich normalerweise vorstellt.
Kommunikation ist der Schlüssel
Wie ich schon erwähnt habe, sind die meisten von uns nicht die besten darin zu kommunizieren, was wir uns in unserem Privatleben wünschen. Wir sollten lernen, wie wir darin besser werden. Lass dich in der Zwischenzeit nicht von der Tatsache einschüchtern, dass andere auch keine Ahnung davon haben. Häufig habe ich mich mit Männern von Pure nur für eine abendliche Verabredung getroffen, aber es gab da immer auch noch etwas anderes zu entdecken. Alle hatten das Bedürfnis zu reden, etwas Nettes zu hören und sich zu öffnen. Es klingt abgedroschen, aber es ist nun mal so. Körperlich werden ist nie allein körperlich. Es steckt immer etwas mehr dahinter.
Du kannst auf Pure auch Liebe finden. Suche aber nicht gezielt nach ihr - so widersprüchlich das auch klingen mag. Konzentriere dich lieber darauf, eine tolle Zeit zu haben. Alle kommen auf so eine Plattform, um das Gleiche zu machen, und alle sind erstmal furchtbar schüchtern. Menschen möchten wirklich gesehen werden: sich ausziehen und sich dabei Schicht für Schicht von Vorurteilen, Ängsten, Emotionen und Schamgefühlen befreien. Das bedeutet keinesfalls, dass es keine Fehlschläge oder miese Dates gibt, aber selbst die können dich lehren, was du brauchst und dir helfen schneller zu verstehen, was dir andere mitteilen wollen.
Ein Nacktbild ist manchmal nur ein Nacktbild. Manchmal ist es aber auch die Geschichte einer traurigen, verstörten oder einsamen Person. Es ist einfach nur seine unverblümte Art dir zu zeigen, dass er ein Mensch ist
Wozu sind Dating-Apps wirklich gut?
Wir denken alle, dass wir verurteilt werden, wenn wir sagen, dass wir nur Intimität wollen und keine Romanze oder Beziehung. Noch größere Angst haben wir aber davor, dass sich jemand über uns lustig macht, weil wir uns Gefühle wünschen. Wieder mal ein Paradoxon: Eine App für eine vergnügliche Zeit lehrt uns, Gefühle zuzulassen und uns nicht für sie zu schämen. Pure lässt uns unsere Körper besser verstehen. Um genau zu sein, half mir Pure, das Recht auf Bestimmung über meinen eigenen Körper zurückzuerlangen. Ich wurde zur Meisterin meines eigenen Schicksals und fühlte mich frei, zu entscheiden, was ich will, wann, wo und mit wem ich es will – während ich gleichzeitig besser darin wurde, auf meine Bedürfnisse zu hören.
Jeder will körperliche Nähe. Zu Beginn ist es einem ein wenig peinlich zuzugeben, dass man auch nach emotionaler Bindung und Tiefe sucht, aber irgendwann entdeckt man den unausgesprochenen heiligen Gral der Pure Community.
Vielleicht liege ich falsch, aber ich denke, ich habe den Nagel auf den Kopf getroffen. Bei Pure geht es immer darum, in die Tiefe zu gehen – nicht immer physisch, aber immer metaphorisch.
